Igel fressen keine Kürbisse!

Immer wieder zur Halloween-Zeit kommt die Behauptung auf, wilde frei-lebende Igel würden auf dem Boden stehenden Halloween-Kürbisse fressen, weil diese eine leckere und leicht zu erreichende Mahlzeit wären und die Igel nicht wüssten, dass sie ungesund für sie seien. Man solle daher unbedingt darauf achten, dass die Kürbisse nicht auf dem Boden stehen:

Igel sind Insektenfresser (Fleischfresser)

Mehrere wissenschaftliche Studien haben die Ernährung des europäischen Igel bereits vor Jahrzehnten ausführlich analysiert. Der Wissenschaftler Andrew Jeremy Wroot der University of London führte im Jahr 1984 eine ausführliche Studie zur Ernährung des Igels in England durch (1). Die folgende Tabelle zeigt die Bedeutung einzelner Nahrungsbestandteile des Bruttoenergieanteils.

Tabelle: „Ernährung hilfsbedürftiger Igel“ von Monika Neumeier, Pro-Igel e.V. (3)

Igel sind also reine Insektenfressen bzw. Fleischfresser. Pflanzliche Bestandteile spielen ernährungstechnisch keine Rolle.

Pflanzliche Bestandteile in der Ernährung des Igels

Bei einigen Studien wurden tatsächlich immer mal wieder pflanzliche Bestandteile in den Mägen von Igeln gefunden. Andrew Jeremy Wroot schreibt in seiner Studie dazu:

„Obwohl es möglich ist, dass Igel das Pflanzenmaterial aktiv gefressen haben, entweder um sich zu ernähren oder um Ballaststoffe zu erhalten, scheint es wahrscheinlicher, dass es sich um eine zufällige Aufnahme handelt. […] Es ist wahrscheinlich, dass jedes Beutetier, das unter diesen [feuchten] Bedingungen gefressen wurde, versehentlich ein paar Grashalme mitgenommen hat.“

A. J. Wroot (1) (Zitat übersetzt)

Aber auch die pflanzenfressenden Insekten tragen dazu bei, dass der Igel zwangsläufig pflanzliche Kost aufnimmt. Weiter schreibt Wroot:

„Eine weitere mögliche Quelle für Pflanzenmaterial sind die Eingeweide der Beutetiere selbst. Jedes phytophage [pflanzenfressende] Beutetier würde wahrscheinlich eine gewisse Menge unverdautes Pflanzenmaterial in seinem eigenen Darm haben, das im Kot des Raubtiers auftauchen würde. Tatsächlich wurden Exkremente analysiert, in denen ein großer Teil des Pflanzenmaterials sehr fein zerkleinert war und die auch eine große Anzahl von (hauptsächlich) Lepidoptera- und Tipulidenlarven [Schmetterlings- und Schnakenlarven] enthielten.“

A. J. Wroot (1) (Zitat übersetzt)

Auch andere Studien, die A. J. Wroot auswertete, kommen zum Schluss, dass pflanzliche Bestandteile nicht gezielt von den Igeln gefressen wurden (1).

Pflanzliche Ernährung bei Insektenmangel

Igel sind sehr anpassungsfähige Tiere. In einer Studie wurde auch festgestellt, dass Igel, die in sehr insektenarmen Gebieten in Neuseeland ausgesetzt wurden, tatsächlich aktiv pflanzliche Nahrung zu sich nahmen:

„Wir glauben, dass das Fehlen individueller Unterschiede in der Ernährung, der von uns untersuchten Tiere, den relativ rauen und ressourcenarmen Lebensraum widerspiegelt und dass Unstimmigkeiten wie der hohe Obstkonsum eines Individuums die Fähigkeit der Igel widerspiegeln, sich gezielt energiereiche Nahrung zu beschaffen, die vorübergehend verfügbar ist.“

Christopher Jones (2)

Auch wenn es bisher noch nicht beobachtet wurde, wäre also denkbar, dass der Igel durchaus Obst und Gemüse (auch Kürbisse) als letztes Mittel bzw. als Notfall-Nahrung zu sich nehmen könnte, wenn Insekten in der Umgebung gänzlich fehlen. Mit der Aufnahme, dieser für den Darm ungeeigneten Nahrung, versucht der Igel also lediglich den drohenden Hungertod etwas hinauszuzögern.

Verdauung von Obst und Gemüse

Ob der Igel pflanzliche Kost wie Obst und Gemüse überhaupt verdauen und verwerten kann, lässt sich leicht an der Darmlänge erkennen. So haben Fleischfresser wie Katzen eine Darmlänge im Verhältnis zur Körperlänge von 1:3 – der Darm der Katze ist also dreimal so lang wie ihr Körper lang ist. Dieses Verhältnis beträgt beim Igel 1:4. Beim Allesfresser, dem Schwein, beträgt das Verhältnis 1:14 und bei reinen Pflanzenfressern, wie dem Rind, beträgt es sogar 1:20 – diese kommen zudem nicht einem Magen aus, sondern besitzen gleich vier Mägen. Das zeigt, dass zum Verdauen und Verwerten von pflanzlicher Kost ein langer Verdauungstrakt notwendig ist, den der Igel nicht besitzt. Obst und Gemüse kann der Igel daher nicht in ausreichendem Maß verdauen und wird kaum unverdaut wieder ausgeschieden. Es dient daher eher als Ballaststoff, welches zwar sättigt, aber dem Körper kaum Nährstoffe liefert. Auch das Gebiss und die Magensaftzusammensetzung lässt erkennen, dass der Igel ein reiner Fleischfresser bzw. Insektenfresser ist (3).

Kürbis-fressende Insekten

Wie bereits erwähnt, können pflanzliche Bestandteile zusammen mit Insekten aufgenommen werden. Insekten, die sich in offenen, geplatzten oder geschnitzten Kürbissen tummeln, können also tatsächlich vom Igel aufgenommen werden und zusammen mit geringen Mengen Kürbisfleisch im Magen des Igels landen.

Giftig für Igel?

Tatsächlich enthalten einige bestimmte Arten von Zier- und Wildkürbissen den giftigen Stoff Cucurbitacin. Dieses eigenproduzierte und bitter-schmeckende Pflanzenschutzgift soll Fressfeinde abhalten (7). Ein Igel wird also allein schon wegen des bitteren Geschmacks nicht freiwillig an giftigen Kürbissen fressen (8, 9).

Der typische Halloweenkürbis gehört aber zu den Speisekürbissen und enthält kein Cucurbitacin, ist also auch nicht giftig für den Igel (4).

Fruchtwasser bei Trockenheit

Viele Früchte, wie der Kürbis auch, enthalten Fruchtwasser. Der Igel benötigt Feuchtigkeit um die Nierenfunktion aufrechtzuhalten. Durch Insekten wird zwar ein Teil des Feuchtigkeitsbedarfs gedeckt, Igel trinken aber auch aus Gewässern wie Pfützen, Teichen und Bächen. Hat der Igel keinen Zugang zu Wasser, können auch Früchte/Obst dazu dienen, den Feuchtigkeitsbedarf zu decken. Demnach wäre auch denkbar, dass Igel an offenen Kürbissen Fruchtwasser lecken. (5, 6)

Kerzen im Halloweenkürbis

Auch wenn die Gefahr gering ist, dass ein Igel in einen Halloweenkürbis klettert, sollte auf offenes Licht im Kürbis verzichtet werden. Insekten werden vom Licht angezogen und verbrennen in der Flamme. Zudem trocknet der Kürbis von Innen sehr schnell aus und fällt eher zusammen. Außerdem sollte in trockenen Gebieten jede Art von offenem Licht vermieden werden um Brände auszuschließen.

Für Halloweenkürbis gibt es lang haltbare LED-Lichter, die eine tolle Farbe haben und ähnlich wie Kerzen leicht flackern. Zudem können Akkus genutzt werden und die Leuchtstärke über eine Fernbedienung eingestellt werden:

Beobachtungen auf dem NatureTec-Livekanal

Auf dem NatureTec-Livekanal stehen jedes Jahr zu Halloween mehrere geschnitzte Kürbisse an der Igelfutterstelle. Seit 2019 (bis zum Tag dieses Artikels 21.10.2023)
sahen wir keinen einzigen Igel, der sich für einen der Kürbisse interessierte. Allerdings steht auch immer artgerechtes Futter und sauberes Wasser zur Verfügung.

Fazit

Der freilebende europäische Igel frisst keine Kürbisse – schon gar nicht wenn andere geeignetere Futtermittel zur Verfügung stehen. Typische Halloweenkürbisse sind nicht giftig und können Insekten enthalten, die dem Igel helfen können das Winterschlafgewicht zu erreichen. Das aktive Entfernen von Kürbissen oder anderer Obst- und Gemüsearten aus der Natur oder dem Garten, nimmt dem Igel in Insektenarmen Gebieten die Möglichkeit sich von den Insekten zu ernähren, die in den Früchten leben. Als Halloween-Leuchtmittel sind spezielle LEDs eine gefahrlose Alternative.

Quellen:
1- „Feeding ecology of the European hedgehog Erinaceus europaeus“ (AJ Wroot, 1984)
2 – „Feeding selectivity of introduced hedgehogs Erinaceus europaeus in a dryland habitat, South Island, New Zealand“ (Mammal Research, Vol. 56, page 45–51, 2011)
3 – „Ernährung hilfsbedürftiger Igel“ (Pro-Igel e.V., Monika Neumeier, Seite 2)
4 – „Kürbissorten: Essbare & giftige Sorten“ (Plantura Magazin)
5 – „Biologie des Braunbrustigels“ (Igelzentrum Zürich)
6 – „Vegetarier oder Fleischfresser“ (Igel & Umwelt, Igelzentrum Zürich, Seite 2)
7 – „Sind Kürbisse aus eigenem Nachbau giftig?“ (LB Landwirtschaft Hessen)
8 – „Igel in Gefahr“ (Sächsische Zeitung)
9 – „Die Spanische Wegschnecke“ (GEO.de)