Usutu-Virus: Das große Amselsterben

In einigen Regionen treten aktuell wieder viele tote Amseln auf. Das Usutu-Virus wird für das große Amselsterben verantwortlich gemacht. Hier klären wir ob wir trotzdem weiter Vögel füttern dürfen, ob es eine Gefahr für uns oder andere Tiere gibt und vieles mehr:

Herkunft & Verbreitung

Das Usutu-Virus stammt ursprünglich aus Afrika. Es wurde 1959 in Südafrika zum ersten Mal nachgewiesen und erhielt seinen Namen vom gleichnamigen Fluss, der über eine Länge von ca. 350 km durch Südafrika, Eswatini (früher Swasiland) und Mosambik fließt (1,2). Man geht heute davon aus, dass das Virus bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts in Afrika existiert.

Es wird vermutet, dass das Virus seinen Weg nach Europa durch Zugvögel gefunden hat (3). In Europa übertrug sich das Virus dann über die heimischen Mückenarten auf andere Vögel, wodurch sich ein Infektionszyklus zwischen Vögeln und Mücken einstellte (4). Das Virus breitete sich zu Beginn vor allem im Südwesten Deutschlands bzw. im Rheintal aus, da dieses Gebiet ideale Überlebens- und Überwinterungsbedingungen für infizierte Mücken aufweist. Begünstigt durch den allgemeinen Anstieg der Durchschnittstemperaturen in Deutschland breitete sich das Virus ab 2016 schließlich im ganzen Land aus (4).

Die folgenden Karten zeigen die zunehmende Ausbreitung von Verdachtsfällen von 2012 bis 2018.

Grafiken: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI)/Renke Lühken

Generell begünstigen lange und warme Sommer die Inkubationszeit dieses tropischen Virus, wodurch sich die Verbreitung stark beschleunigt. Der Klimawandel trägt also auch dazu bei, dass sich sowohl der Überträger – die Steckmücke – schneller vermehren kann, als auch dazu, dass das Virus selbst den Winter besser überlebt, dadurch häufiger vorkommt und dadurch für mehr Infektionen sorgt.

Übertragung, Symptome & Verlauf

Das Usutu-Virus wird ausschließlich durch Stechmücken übertragen (12). Andere Übertragungswege, zum Beispiel durch direkten Kontakten oder über Futter- oder Wasserstellen, sind nicht bekannt und gelten als unwahrscheinlich.

Die meisten infizierten Vögel zeigen keine Symptome. Einzeln Arten, insbesondere Amseln und Eulenarten, reagieren aber sehr empfindlich. Die Tiere zeigen dann oft struppiges Gefieder im Hals- und Kopfbereich, auch Federverlust bis zur teilweisen oder vollständigen Kahlheit können auftreten. Erkrankte Tiere sind oft apathisch, reagieren also langsam oder gar nicht mehr und zeigen Störungen des zentralen Nervensystems, wie Taumeln oder Verdrehen des Kopfes. Erkrankte Amseln sterben meist innerhalb weniger Tage, manchmal sogar schon innerhalb weniger Stunden (5).

In den Jahren 2020 bis 2023 gab es nur sehr wenige Nachweise des Virus in toten Amseln. Möglicherweise war es durch die weite Verbreitung des Virus zur Ausbildung einer Immunität in der Amselpopulation gekommen. Wie auch bei anderen Viren können diese sich aber auch wieder etwas verändern, weshalb es im Folgejahr 2024 wieder zu sehr vielen toten Amseln kam (6,7).

Auswirkungen auf den Amsel-Bestand

Trotz der teilweise dramatisch hohen Zahl an tot aufgefundenen Amseln, und gebietsweise Bestandsverluste von über 80%, scheint das Usutu-Virus keine gravierenden Auswirkungen auf die Gesamt-Population der Amseln zu haben.

Die erste große Usutu-Virus-Epidemie im Jahr 2011/2012 zeigte zwar merkliche Rückgänge der Amselbestände in vielen Regionen Deutschlands, von insgesamt ca. 8 Millionen Brutpaaren (ca. 16 Millionen Individuen) ging man damals von ca. 300.000 toten Amseln aus – also ca. 2 Prozent.

„Lokal konnte in einigen Gebieten sogar das fast vollständige Verschwinden von Amseln festgestellt werden. In den folgenden Jahren konnten Amseln die entstandenen Lücken jedoch recht schnell wieder besiedeln und bleibende Auswirkungen auf überregionale Bestände der Amsel konnten bisher nicht bestätigt werden.“

NABU (10)

Die Amsel gilt weiterhin als „stabil“ in ihrem Bestand. Grund dafür ist wohl auch die ständige Immunisierung der Amseln, die durch eine überlebte Virus-Infektion Antikörper gebildet haben.

Grafik: NABU, Stand November 2024 (9)

Auch nach 2018, bleibt die Amsel eine der am häufigsten beobachteten Wildvogelarten in Deutschlands Gärten, was die alljährliche Zählung der Wintervögel „Stunde der Wintervögel“ des NABU zeigt. Die folgende Grafik zeigt die in der Zählung erfassten Amseln pro Garten, seit Auftreten des Usutu-Virus (8):

Man wird mit großer Sicherheit auch in der Zukunft immer wieder mit einem Amselsterben durch das Usutu-Virus zutun haben. Bleibt abzuwarten ob der Bestand weiterhin stabil bleibt.

Vögel füttern trotz Usutu-Virus?

Mit dem Auftreten solch teilweise gravierenden Epidemien kommen auch Fragen auf, ob man denn jetzt noch Amseln und andere Wildvögel füttern darf. Futterstellen sind ja nun mal leider auch dafür bekannt, Krankheit zu übertragen.

Hier kann man Entwarnung geben. Füttern ist und bleibt ungefährlich!
Das Usutu-Virus ist nicht durch Futter oder Wasser übertragbar, nur über den Stich von Stechmücken. Auch der direkte Kontakt einer infizierten Amsel mit einer gesunden Amseln bleibt risikofrei.

Das Füttern kann hier wahrscheinlich sogar dafür sorgen, dass infizierte Amseln die Erkrankung häufiger überleben und eine entsprechende Immunität aufbauen, weil der einfach Zugang zu geeignetem Futter nachweislich das Immunsystem stärkt (11).

Das Füttern schadet infizierten Amseln also nicht – es kann ihnen sogar indirekt helfen.

Wie wir helfen können

Usutu-Infektionen können weder verhindert noch behandelt werden.
Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht helfen können, im Gegenteil!
Auch wenn es keine Medikamente oder Impfstoffe gegen das Virus gibt, können wir das Immunsystem der Vögel so stärken, dass es eine bessere Chance hat, das Virus selbstständig zu bekämpfen. Indem wir Futterstellen einrichten und sauberes Wasser zur Verfügung stellen, helfen wir den Vögeln ein abwehrfähigeres Immunsystem zu entwickeln, das besser gegen das Virus ankommt.

Geeignetes Futter für Amseln sind vor allem Weichfuttermittel wie z.B. Beeren, Früchte/Obst, Rosinen/Sultaninen, Fettfutter (z.B. getränkte Haferflocken), getrocknete Insekten (z.B. Mehlwürmer & Soldatenfliegenlarven).

Auch Wasser ist wichtig. Wasserstellen sollten regelmäßig gereinigt werde. Vogeltränken, in denen Wasser in einem Kreislauf zirkuliert, können z.B. im Tank mit UV-C Lampen ausgestattet werden um Keime, Bakterien und Viren abzutöten. Auch Algen und Mückenlarven haben damit keine Chance mehr.

Damit sich der Bestand schnell wieder erholen kann, können wir für Brutplätze sorgen.
Da die Amsel ein Freibrüter ist, nimmt sie nur selten Nistkästen an. Sinnvoller wäre es Hecken und Büsche zu pflanzen. Bäume und generell dichte Bepflanzungen helfen den Amseln für viel Nachwuchs zu sorgen.

Da das Usutu-Virus ausschließlich durch Mücken übertragen wird, können die Ausbreitung der Infektion reduzieren in dem wir die massenhafte Vermehrung von Mücken nicht fördern. Brutstätten für Mücken sind stille und offene Gewässer. Regenfässer können mit einem Deckel verschlossen werden. Gartenteiche können mit Fischen und Fröschen ganz natürlich eine Mückenpopulation verhindern. Brunnen und größere Vogelbäder können mit Pumpen in Bewegung gehalten werden und Wasserspeicher mit UV-Lampen mückenfrei gehalten werden.

Gefahr für Mensch und Tier?

Da das Usutu-Virus grundsätzlich über Stechmücken übertragen wird, kann es theoretisch auch auf den Menschen übertragen werden. Typische Symptome sind Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, steifer Nacken, Lichtempfindlichkeit, Krampfanfälle, Seh- und Hörstörungen oder Gelenk- und Muskelschmerzen. In extrem seltenen Fällen kann es auch zu einer Gehirnentzündung kommen – diese Gefahr ist aber praktisch kaum vorhanden.

Seit einigen Jahren werden in Deutschland Blutproben auch auf Usutu-Viren getestet. Dabei wurden bisher zwei Infektionen festgestellt, die jedoch bei den betroffenen Personen keine Krankheitssymptome verursachten. Bislang sind weltweit erst 21 Fälle bekannt, in denen Menschen durch das Usutu-Virus erkrankt sind. Menschen mit einem gesunden Immunsystem scheinen die Infektion ohne jegliche Symptome bewältigen zu können (12, 14).

Zu Infektionen bei Haus- und Nutztiere liegen bisher kaum belastbare Daten vor. Das Virus wurde zwar auch bei Pferden und Nagern nachgewiesen, diese gelten aber als sogenannte Fehlwirte. Krankheitsverlauf und Symptome sind nicht bekannt (13).

Tote Vögel erfassen und einsenden

Damit das Ausmaß des Amselsterbens und der Virus-Verbreitung klar wird, muss es so exakt wie möglich dokumentiert werden. Besonders wichtig ist der Nachweis von Usutu-Viren in tot aufgefundenen Amseln und andern Vögeln.

Die Untersuchungen nimmt in erster Linie das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg (BNITM) vor.

So gehts:

Die Vögel sollten schnellstmöglichst eingesammelt und direkt eingeschickt werden. Folgende Punkte sind zu beachten:

  • Tote Vögel nur mit Handschuhen oder einer umgestülpten Plastiktüte berühren, anschließende Hände waschen.
Darstellung, wie man eine tote Amsel mit Kühlakkus per Post an das BNITM verschicken kann. Ein Zettel mit Fundort, Funddatum und Finder:in sei mit beizulegen.
Bildquelle: BNITM
  • Tote Vögel sollten direkt an das BNITM geschickt werden:
    Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin,
    Dr. Jonas Schmidt-Chanasit,
    Bernhard-Nocht-Straße 74,
    20359 Hamburg
  • Sorgen Sie bitte für einen zügigen Versand und eine sichere Verpackung! Idealerweise sollten die Vögel mit einem Tiefkühlakku versehen oder alternativ gefrorenem Wasser in Plastikflaschen, gut gepolstert und wasserdicht verpackt versendet werden. In den Sommermonaten ist eine Isolation mit Styropor sinnvoll.
  • Es empfiehlt sich besonders vor Wochenenden die Einsendung mit dem BNITM oder den Untersuchungsämtern vorab telefonisch abzustimmen:
    Tel. 040-285380-862 ,
    Fax 040-42818-941
    E-Mail: luehken@bnitm.de
  • Ist ein sofortiger Versand nicht möglich, müssen die Vögel bis zum Versand gut verpackt tiefgefroren aufbewahrt werden.
  • Einsender sollten auf der Verpackung den Schriftzug „Freigestellte veterinärmedizinische Probe“ anbringen.
  • Fügen Sie Ihrer Sendung genaue Informationen zum Absender sowie zu Fundort (mit PLZ) und Funddatum bei.
  • Die Untersuchung der eingesandten Vögel wird vom BNITM kostenlos vorgenommen, und selbstverständlich erhält jeder Einsender vom BNITM eine Rückmeldung über das Resultat der virologischen Untersuchung.
  • Leider können keine Versand- und andere Unkosten erstattet werden.
    Sie unterstützen jedoch die Erforschung des Usutu-Viren-Ausbruches tatkräftig!

Weiterhin besteht die Möglichkeit tote Vögel zunächst dem NABU online zu melden und ggf. ein Foto beizufügen: Alles weitere dazu findest du hier: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/krankheiten/usutu-melden.html

(Text: BNITM)

Fazit

Das Usutu-Virus führt lokal zu dramatisch hohen Zahlen toter Amseln. Dennoch ist der Bestand bundesweit (noch) stabil. Mit Futter- und Wasserstellen helfen wir den Vögeln die Abwehrfähigkeit ihres Immunsystems zu verbessern. Verbesserte Lebensbedingungen durch die Schaffung von Nistplätzen helfen zusätzlich den Bestand schnell wieder herzustellen. Menschen und andere Tiere sind in der Regel nicht betroffen. Hilf mit die Ausbreitung des Usutu-Virus zu erforschen, in dem du tote Tiere an den Nabu meldest und tote Tiere an das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin einsendest.

Quellen:
1 – „Working with Zika and Usutu Viruses In Vitro“ (PLOS – Neglected Tropical Diseases)
2 – „Maputo (Fluss)“ (Wikipedia)
3 – „FAQ zum Usutu-Virus“ (Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin)
4 – „Virusinfektion Usutu-Virus“ (Hessisches Landeslabor)
5 – „Erneutes Amselsterben durch Usutu-Virus in NRW“ (NABU NRW)
6 – „Deutlicher Anstieg der Usutu-Virus-Nachweise in niedersächsischen Amseln“ (Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit)
7 – „Der Amselbestand geht merklich zurück“ (NABU)
8 – „Ergebnisse: Stunde der Wintervögel“ (NABU)
9 – „Artenporträts: Amsel“ (NABU)
10 – „Usutu-Virus breitet sich aus“ (NABU)
11 – „Effects of bird-feeding activities on the health of wild birds“ (Millikin University, USA)
12 – „Usutu-Virus in Bayern: Tödliche Gefahr für Amseln“ (LBV)
13 – „Häufig gestellte Fragen zum Usutu-Virus und zum West-Nil-Virus bei Wildvögeln“ (Landes Schleswig-Holstein)
14 – „An overview of Usutu virus“ (S. Orsola-Malpighi University Hospital, Italy)