Wissenschaftliche Beobachtungen
Eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 1950 (Prakash)(1) zeigte in mehreren Versuchen, dass Igel bereits tote Igel fressen und sogar bereit sind schwächere Igel zu töten um sie anschließend zu fressen.
In einer Gruppe von gefangenen Igeln, die sechs Tage lang nicht gefüttert wurden, begannen fünf erwachsene Igel ein junges Tier zu töten um es anschließend gemeinsam zu fressen. Man beobachtet bei einem weiteren Versuch, dass auch der Kadaver eines toten erwachsenen Igels, der auf natürliche Weise starb, von Artgenossen gefressen wurden.
Bei einer Studie, die 1965 durchgeführt wurde (Otway und Woodhouse)(1), wurde ein sechs Wochen altes Igeljunges mit vier ausgewachsenen Tieren in einen Käfig gesetzt. Zwei Tage später wurden die Überreste dieses jungen Igels im Käfig gefunden. Bei dieser Studie wurden die erwachsenen Igel täglich gefüttert, litten also nicht an Hunger. Zwei junge Igel wurden während dieser Studie auf ähnliche Weise von den Erwachsenen in einem Käfig gefressen.
Ein anderer ausgewachsener aber freilebender Igel wurde dabei beobachtet, wie er auf einem Feld einen toten, bereits von Fliegen befallenen, männlichen Igelkadaver fraß.
Gehören Artgenossen zum Speiseplan?
Die natürliche Nahrung des Igels setzt sich so zusammen: (2)
- Käfer: 27,9-56,3 %
- Schmetterlingslarven: 17,7-43,1 %
- Regenwürmer: 12,3-33,9 %
- Ohrwürmer: 1,5-10,5 %
- Käferlarven: 0,4-10,5 %
- Schnecken: 1,3-5,6 %
- Mücken & Fliegen: 2,9-7,0 %
- Hundert-/Tausendfüßer: 0,3-2,2 %
- Asseln: 0,1-1,1 %
(Prozentangaben = Bruttoenergieanteil der durchschnittlich aufgenommenen Nahrung)
Artgenossen stehen also in der Regel nicht auf dem Speiseplan freilebender Igel.
Mögliche Gründe für Kannibalismus
1. Überbevölkerung/Gruppenhaltung
Igel sind Einzelgänger! Werden zu viele Igel auf zu engem Raum gehalten, kann es zu Revierkämpfen kommen, bei denen der Eindringung anschließend gefressen wird.(3)
2. Störungen während der Jungigel-Aufzucht
Werden Igelnester gestört, kann es als eine Art Panikreaktion der Igelmutter dazu kommen, dass die Jungigel von ihr gefressen werden.(3)
3. Fremder Nachwuchs
Legt man ein Igeljunges in ein fremdes Igelnest, besteht die Gefahr, dass das Junge nicht angenommen wird und stattdessen getötet und verspeist wird.(3)
4. Großer Hunger
Finden Igel nichts zu fressen bzw. werden nicht gefüttert, steigt das Risiko, dass sie sich gegenseitig fressen.(3)
5. Igeljunge von fremden Männchen
Es kann vorkommen, dass erwachsene Igelmännchen den Nachwuchs töten und fressen. Man nimmt an, dass diese passiert um des Igelweibchen schnell wieder Paarungsbereit zu machen oder auch Igeljunge eines Rivalen zu beseitigen um seine eigenen Gene weiterzuvererben.(3)
Fazit
Auch wenn zur natürlichen Nahrung der Igel in der Regel keine Artgenossen gehören, gibt es unter bestimmten Bedingungen dennoch unter ihnen das Potenzial Artgenossen zu fressen. Bei der Pflege von erwachsenen Igeln ist Einzelhaltung daher absolute Pflicht. Nester sollten niemals absichtlich gestört bzw. zerstört werden. Auch verwaiste Igelbabys sollten nicht in fremde Igelnester gelegt werden. Zudem sollte immer ausreichend Nahrung bzw. Futter vorhanden sein.
Aber, der Igel ist und bleibt ein Wildtier! Fressen oder gefressen werden – im Tierreich kommt Kannibalismus leider nicht selten vor.
Quellen:
1 – Feeding behaviour of the european hedgehog in a new zealand pasture
2 – Buch: „Igel im Garten„ Kapitel „Die natürliche Nahrung“ Seite 13, Kosmos Verlag
3 – Kannibalismus bei Igeln (Pro-Igel)